Hundeglücklich - mit Yuna

Am 22. Mai 2021 war es soweit....

Was ich davor kategorisch ausgeschlossen hatte, war eingetreten: Ich stand im Nieselregen in einem Industriegebiet bei Hannover, bewaffnet mit einer Leine, und wartete darauf, einen mir völlig unbekannten Hund in Empfang und mit nach Hause zu nehmen. Wobei „völlig unbekannt“ natürlich nicht stimmt.

Das war ja auch der Grund, warum ich überhaupt dort stand. Aber ich erzähle besser von vorne:

Ich erinnere mich nicht, seit wann ich den Wunsch nach einem Hund in meinem Leben habe. Unsere Familienkatze ist im biblischen Alter von 21 Jahren verstorben, als meine Schwester und ich längst in anderen Städten lebten und arbeiteten. Noch Jahre nach ihrem Tod ging ich bei Besuchen Zuhause immer zuerst die Katze suchen.

Meine Eltern sind mittlerweile Rentner, wollen reisen und kein neues Tier. Ich, alleine lebend mit einem Vollzeitbürojob sah keine Möglichkeit, einem Tier gerecht zu werden. Meine Freunde setzten ein Kind nach dem anderen in die Welt. Keiner schaffte sich zusätzlich weder Hund noch Katze noch Maus an.

Fazit: Ich hatte definitiv zu wenig Tier in meinem Leben.

Dann kam Corona, mobiles Arbeiten funktionierte plötzlich, erste Hypothesen über ein „neues Arbeiten nach Corona“ wurden geäußert. Als ich dann auch noch mitten in der Pandemie umzog und direkt den Beagle meiner neuen Nachbarin für regelmäßige Spaziergänge kaperte, wurde der diffuse Wunsch zu einer Notwendigkeit.

Ich begann, zunächst die Internetportale für Hundepatenschaften und Teilzeithunde zu durchforsten.

Ich wollte einen Hund in meinem Leben, über feste Spaziergehtermine hinaus. Dank Pandemie kamen aber auf einen potentiellen Patenhund mindestens 50 Paten-Bewerber. Letztendlich kam der entscheidende Anstoß aus meinem Freundeskreis: Hol DU Dir doch den Hund, und dann suchst DU Dir Hundepaten.

 Ich realisierte: „Jetzt oder nie! Noch bin ich komplett im Homeoffice, habe Zeit für Eingewöhnung und Alltagstraining, kann meine Tage sehr flexibel um den Hund herum planen. Besser geht es nicht!“

Mit dieser Erkenntnis begann die eigentliche Suche. Für einen Hund aus dem Auslandstierschutz habe ich mich eher aus Notwendigkeit entschieden: die deutschen Tierheime waren leergefegt. Rückblickend und nachdem ich mich sehr mit dem Thema beschäftigt habe, verspüre ich eine Spur von Wut über jeden Menschen, der mit seinem neu gekauftem Zuchtwelpen durch den Park spaziert. Die Hoffnung bleibt, dass der Welpe zumindest aus einer vernünftigen Zucht stammt. Und nicht aus einem Kofferraum. Der „Import“ von Tierschutzhunden aus dem Ausland ist ganz sicher weder die alleinige Antwort auf das Hundeelend in der Welt, noch verändert er die Welt. Aber, wie ein schlauer Verein auf seiner Homepage schreibt (credit to Tierhilfe Hundeglück e.V.):

Es verändert die Welt eines Hundes. Und die eines Menschen.

Aber wie kam ich nun zu Yuna?

Für mich stand fest: ich als Hundeanfängerin kann mir nicht vorstellen, einen mir völlig unbekannten Hund aufzunehmen. Ich wollte gerne die Einschätzung der deutschen Pflegestelle, ob dieser Hund in mein Leben passen würde. Und noch wichtiger: ob mein Leben zu den Bedürfnissen des Hundes passen könnte. Ich wohne alleine, in einem Mehrfamilienhaus, in einer Großstadt. Es gibt viel Grün, aber eben auch viele Straßen und viel Verkehr.

Ich werde nach Corona zumindest wieder anteilig in einen Ganztags-Bürojob zurückkehren und den Hund Fremdbetreuen lassen müssen. Ich habe viele Freunde mit kleinen Kindern. Ich bin gerne in der Natur, besuche Freunde, mache Wochenendausflüge - idealerweise zukünftig mit Hund.

Ich bewarb mich auf viele Hunde, mit einer sehr ehrlichen Selbstdarstellung im Bewerbungstext.

Ich besuchte auch einige Hunde auf ihren Pflegestellen, aber der Funken sprang nie ganz über.

Dann bekam ich eine E-Mail vom Verein Tierhilfe Hundeglück e.V., dass wir doch mal telefonieren könnten.

Ich war hocherfreut. Der erste Satz im Telefonat lautete: „Also die Hündin (in der Pflegestelle in Deutschland, Anm. der Autorin), für die sie sich beworben haben, die passt nicht in ihre Lebenssituation hinein. Aber wir hätten hier eine kleine Hündin, die gerade mit ihren Welpen in dem Shelter unseres spanischen Partnervereins abgegeben wurde. Pinky - vielleicht wäre die etwas für Sie.“ Ich war relativ verdutzt. Einen Hund direkt aus Spanien zu adoptieren, ohne das Sicherheitsnetz einer Pflegestelle dazwischen? Auch das allererste Foto von Pinky haute mich jetzt nicht vom Hocker: eine kleine, gelbliche Kugel ohne erkennbaren Anfang oder Ende. Dem ersten Foto folgten weitere Fotos, dazu Videos. Ich verfasste auf Anraten des Vereins eine Beschreibung meines „Traumhundes“. "Was muss er/sie können, aushalten, mitbringen?" Die spanischen Kollegen vor Ort bestätigten: Pinky passt. Ich habe selten so eine kompetente, ausführliche und ehrliche Beratung und Begleitung erlebt wie hier. Eine der spanischen Mitarbeiterinnen nahm Pinky sogar für ein Wochenende mit nach Hause, um mir, der Hundeanfängerin, noch bessere Tipps für den Alltag geben zu können.

Wann ich mich in dieses langbeinige Hundewesen, das ich nur von Videos kannte, verliebt habe?

Ich weiß es nicht. Es kann aber nicht lange gedauert haben.

Die Menschen von Tierhilfe Hundeglück e.V. nahmen sich jede Zeit der Welt, es gab ausführliche Vorabtelefonate mit Informationen zu allen wichtigen Punkten wie Eingewöhnung, Impfungen, Tiergesundheit und der Möglichkeit, bis zur Erschöpfung eigene Fragen zu stellen. Hier bemühen sich Menschen wirklich, passende Hund-Mensch-Matches zu finden. Ohne Kosten und Mühen zu scheuen, immer das Wohl der Hunde im Fokus.

Der Tag der Tage kam dann doch schneller als ich gucken konnte: Der Transporter fuhr auf den Parkplatz. Ehe ich mich versah, hatte ich ein zitterndes Bündel im Arm, welches die Hälfte seines Fells auf meiner Regenjacke verteilte. Ob das Zittern von der Aufregung, den Strapazen der langen Reise oder den winterlichen Temperaturen des norddeutschen Mais herrührte, bleibt offen.

Die Fahrt nach Hamburg hat Pinky, jetzt Yuna, eingerollt auf dem Rücksitz meines Autos verschlafen. Eine Ähnlichkeit mit dem Mozilla Firefox war nicht von der Hand zu weisen. Natürlich war Yuna vorschriftsmäßig gesichert.

Auch da hat uns Tierhilfe Hundeglück e.V. super informiert und beraten.

Die ersten 3 Tage in ihrem neuen Leben verbrachte Yuna eigentlich ausschließlich im Hundekorb.

Zu den Spaziergängen habe ich sie aus dem Korb gehoben, angezogen, die Treppe herunter getragen und auf den Bürgersteig gesetzt. Ab dann war sie aber freudig dabei und erkundete schwanzwedelnd und schnüffelnd ihr neues Revier. Erwähnenswert ist auch, dass ich die ersten Tage quasi eine Whats App-Standleitung zu

Tierhilfe Hundeglück e.V. hatte. Und dass jede meiner Fragen geduldig und super hilfreich beantwortet wurde.

Für mich als Hundeanfängerin im Corona-Lockdown war das eine riesige Unterstützung!

Die Tage vergingen, und es wurde einfacher. Oder eher: ich bekam mehr Routine. Und lernte nach und nach, das neue Lebewesen in meiner Wohnung, immer besser zu lesen. Yuna erweiterte ihren Radius langsam auch über ihren Korb hinaus, allerdings hält sie sich nach wie vor am allerliebsten im selbigen auf. Stundenlang.

Mittlerweile hat sie drei Körbchen, an unterschiedlichen Standorten in meiner Wohnung.

Bei Regen weigert sich die Dame standhaft, das Haus zu verlassen. Da hilft kein locken, kein Leckerli und auch kein Regenmantel. Sie muss dann auch kein Geschäft erledigen. Zur Not auch 24 Stunden lang nicht. 

Ich revidierte einige - trotz ausführlichen Einlesens in das Thema Hund - gebliebenen Vorurteile: Warum ziehen die Leute ihren Hunden Mäntel an?? (Wahrscheinlich, weil dieser Hund zu einer Rasse gehört, die von Menschen jahrzehntelang so gezüchtet wurde, dass sie sehr dünnes Fell hat. Yuna besitzt besagten Regenmantel; eine Daunenjacke, ein Bademantel und ein Ganzkörperanzug für den Winter stehen auf der Anschaffungsliste)

Dem Hund die Zähne putzen? Ha ha ha! (Hunde können, wie Menschen, genetisch zu Zahnstein neigen) und das kann schwerwiegende gesundheitliche Folgen haben.

Yuna besitzt eine pinkfarbene Zahnbürste mit Glitzer und Paw Petrol-Motiv. Allerdings hasst sie Zähneputzen und entwickelt "Aal-gleiche Gelenkigkeit" beim Versuch, sich dem Prozedere zu entwinden.

Im Juli waren Yuna und ich im Campingurlaub. Mitsamt langen Autofahrten, ausführlichem Kinderkontakt (Neffe und danach Patensohn), und ausgedehnten Waldwanderungen. Am ersten Abend begann Yuna, erschöpft vom Tag und der ungewohnten Situation, unter dem Busch neben meinem Zelt zu scharren, zu buddeln und sich im Kreis zu drehen.

Es dauerte einen Moment, bis ich begriff: sie baute sich einen Schlafplatz für die Nacht! Es war Sommer, aber abends empfindlich kühl. Ich hob meine Hündin hoch und trug sie zu ihrem warmen, weich gepolsterten Schlafplatz in meinem Zelt, wo sie sich mit einem zufriedenen Seufzer zusammenkringelte. Ich hatte einen Kloß im Hals: Auch wenn ich bestimmt nicht alles richtig machte, Yuna würde zumindest nie wieder draußen, ungeschützt vor den Elementen auf dem Boden schlafen müssen.

Im Oktober waren wir für ein Wanderwochenende auf dem Darß. Als die Strecke zu lang für die kleinen Hundebeine wurde, ist Yuna im Rucksack weiter mitgewandert. Als hätte sie nie etwas anderes gemacht.

Die nächste große Herausforderung steht kurz bevor: mein erster Urlaub ohne Hund. Wandern auf Teneriffa.

Mit Flug, vielen Höhenmetern und Hüttenübernachtungen. Yuna bleibt bei meinen Eltern und wird dort ganz sicher königlich verwöhnt werden.

Aber ich leide schon jetzt angesichts der bevorstehenden Trennung, wie, na eben wie ein Hund!

Hätte ich rückblickend etwas anders gemacht?

Nein! Nichts! Es gibt so viele tolle Hunde, die eine Chance verdienen. (Ob Auslandstierschutz oder örtliches Tierheim.) Und gleichzeitig gibt es vielleicht Menschen wie mich, die genau diesem einen Hund ein passendes Zuhause geben können. Auch wenn es etwas dauert, dass passende Match zu finden, es lohnt sich so unendlich sehr!

Habe ich etwas unterschätzt?

Oh ja, vieles. Ich musste, früher als erhofft, wieder anteilig zurück ins Präsenzbüro. Yuna war erst einen guten Monat da, hatte sich in Nullkommanix an ihr komplett neues Leben gewöhnt und alle Herausforderungen von bedrohlichen Treppenstufen über fiese Staubsauger bis lautlos aus dem Nichts auftauchende Hybridbusse mit Bravour gemeistert. Da musste ich sie schon in eine Fremdbetreuung geben. Unterschätzt habe ich die emotionale Schlagkraft des Gefühls, dass mein Hund sich nicht wohl in seiner Fremdbetreuung fühlt. Das ist wirklich schlimm. Die sehr nette Hundetagesstätte um die Ecke fand Yuna so semi toll. Die Gunst der Stunde und die sekundenlang ungesicherte Tür nutzte sie, um blitzschnell zu entwischen – und zu mir nach Hause zu rennen.

Zum Glück ist nichts passiert, eine nette Hundebesitzerin hat sie eingefangen. Mein Viertel spricht heute noch davon.

Auch meine nächste Idee, Gassi gehen im Rudel mit Abhol- und Bringservice, hat Yuna nicht überzeugt.

Sie hat es geschafft, zweimal kurz hintereinander zu entwischen, und wurde beide Male von netten Menschen eingesammelt, aufbewahrt und zurück gebracht.

Dieser Moment, wenn man mitten im Meeting eine Sprachnachricht der Dogwalkerin erhält: Alarm, der Hund ist ausgebüxt, in der Nähe einer vierspurigen Kreuzung. Zeitgleich einen Anruf von Unbekannt: Wir haben ihren Hund gefunden, und dann vor Erleichterung in Tränen ausbricht....furchtbar!!!

Momentan recherchiere und teste ich weitere Alternativen, wie ich Yuna während meiner Präsenzbürotage gut betreuen lassen kann. In meiner Wohnung fühlt sich Yuna zum Glück pudel- oder podenco-wohl und verbringt meine Abwesenheiten grundsätzlich im Tiefschlaf.

Habe ich einen Tipp für künftige Hundehalter?

Ich kann wirklich nur jedem empfehlen, sich intensiv und vor allem ehrlich mit dem Wunsch, einen Hund aufzunehmen, auseinander zu setzen. Wie viel Zeit habe ich wirklich, um jeden Tag den Bedürfnissen meines Hundes gerecht zu werden? Was mache ich, wenn…. ich in den Urlaub fahren will? Krank werde? Auf Dienstreise fahren muss? Aber auch: Wenn mein Alltag sich plötzlich ändert, und der Hund irgendwie nicht mehr jeden Tag hineinpasst?

Welcher Hund passt grundsätzlich zu mir/ meiner Familie, meiner Lebenssituation? Welche Rasse? Welche Charaktereigenschaften? Soll der Hund aus einer Zucht kommen? Aus dem Tierschutz? Wenn Tierschutz: Inland oder Ausland? Es gibt meiner Meinung nach keine objektiv richtige Antwort. Aber man sollte alle Möglichkeiten zumindest einmal ehrlich bedenken.

Sich selbst hinterfragen zu können, trotzdem auf sein Bauchgefühl zu hören und im Zweifel lieber früher als später Unterstützung zu suchen, ist meiner Meinung nach auch nie verkehrt. Ich habe mit Yuna jetzt 1,5 Einzelstunden bei einer tollen Hundetrainerin gemacht – und so viel mitgenommen, wie aus sämtlichen YouTube Tutorials und Internetratgebern zusammengenommen. (Wobei der Hund nicht eine Minute lang trainiert wurde, ist ja klar).

Mein Fazit ist: Es lohnt sich. Ungefähr eine Billion mal. Und ich freue mich unendlich auf eine hoffentlich sehr lange, gemeinsame Zeit mit meiner Yuna!

Vielen, lieben Dank, an die Autorin und Hundemama von Yuna, für die liebevoll geschriebene Story.

Ganz herzlichen Dank auch, für die lobenden Worte über unser Team. Wir versuchen alle unser Bestes zu geben.